Forts. Unsere Haltung zum Ausbau des Silscheder Tunnels

Silscheder Tunnel als Rückzugsgebiet für geschützte Arten

Seit vielen Jahren stellt nämlich der Tunnel ein für streng geschützte Fledermausarten bestehendes Habitat dar. Bereits vor Verschluss (im Jahr 2017) diente er als Rückzugsgebiet und Lebensraum für seltene und geschützte Fledermausarten.

Die Fledermauspopulationen im Tunnel, die nach dem neuesten Stand der Wissenschaft von der Biologischen Station über mehrere Jahre erfasst wurden, sind für den Ennepe-Ruhr-Kreis absolut einzigartig und von überragender, exemplarisch überregionaler Bedeutung. Dieses Habitat ist vergleichbar mit dem Tunnel Huldange am Vennbahnradweg in Luxemburg, der ebenfalls in einen Radweg integriert werden sollte, wo aber letztendlich dem Naturschutz und den dort lebenden bedrohten Fledermäusen Vorrang gegeben wurde.

Dieser Luxemburger Tunnel ist nun als Leuchtturm-Projekt ein Anziehungspunkt für Touristen und Radfahrer*innen, da er über einen Erlebnispfad führt und die biologischen Zusammenhänge den Besuchern näherbringt. Der Radweg wurde trotz oder vielleicht auch wegen dieser Attraktion als Premiumradweg eingestuft, obwohl der Tunnel dort umfahren wird.

Hangschluchtwald

Des Weiteren hat sich auf der Nordseite des Tunnelausgangs ein einzigartiges Feuchtbiotop im „Hangschluchtwald“ gebildet, welches aufgrund des einlaufenden Sickerwassers am Nordportal das Klima im Tunnel günstig beeinflusst und den insgesamt 12 Fledermausarten im Tunnel - plus 1 Fledermausart vor den Portalen lebend - diesen einzigartigen Lebensraum ermöglicht.

Naturschützer*innen beobachten die Planungen

Dementsprechend ist auch das Feuchtbiotop im Landschaftsplan Ennepetal, Gevelsberg, Schwelm als Geschützter Landschaftsbestandteil Nr. 3.4.1 ausgewiesen. Der Landschaftsplan enthält neben anderen, für alle geschützten Landschaftsbestandteile geltenden Verboten das ausdrückliche Verbot, einen Rad-, Reit- oder Wanderweg anzulegen.

Der Naturschutzbund Ennepe-Ruhr e.V. (NABU), der Arbeitskreis Natur- und Umweltschutz im südlichen Ennepe-Ruhr-Kreis e.V. (ANU) und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschlands (BUND) beobachten aus diesem Grunde die Aktivitäten zum Silscheder Tunnel sehr genau. Der NABU ist zudem in engem Kontakt mit der Biologischen Station im Ennepe-Ruhr-Kreis e.V. und auch mit der Stadt Gevelsberg.

Sichtweise der Tunnelnutzungs-Befürworter*innen

Die Argumentation der lokalen Politik in Gevelsberg, den Radweg künftig durch den Silscheder Tunnel führen zu können, nimmt teils unsachliche Züge an: Die Politik stimmte dem Beschlussvorschlag zur Aufstellung eines Bebauungsplanes Nr.81 im Stadtentwicklungsausschuss, Umwelt und Wirtschaftsförderung am 22.05.2023 zu. In der Argumentation wurde von einer „vorläufigen Zählung“ von Fledermäusen durch die Biologische Station im Ennepe-Ruhr-Kreis e.V. gesprochen. Zutreffend ist vielmehr, dass es sich um ein über mehrere Jahre laufendes, wissenschaftliches Monitoring mit Fotofalle und akustischer Aufzeichnung der Fledermausrufe handelt, womit die Tiere eindeutig identifiziert werden konnten.

Landesnaturschutzgesetz

Tatsache ist, dass es sich bei den Untersuchungen der Biologischen Station um einen Teil der im Landesnaturschutzgesetz verankerten Aufgaben der im Rahmen des Monitorings geschützter Arten handelt und mit den Behörden (untere Naturschutzbehörde (uNB), höhere Naturschutzbehörde (hNB) und Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Verbraucherschutz (LANUV) abgestimmt sind. Das bedeutet auch, dass die Verwaltung in Gevelsberg über diese Untersuchungsberichte verfügt.

Vielmehr sind im Verfahren einer Bauleitplanung artenschutzrechtliche Untersuchungen vorgeschrieben. Sie sind also Teil des Verfahrens, und die wissenschaftlich erhobenen Daten der Biologischen Station müssen in diese neue Untersuchung integriert werden.

Keine Ausweichroute als Alternative

Der NABU kritisiert, dass als Alternative eine oberirdische Führung des Radwegs per se von der Politik und der Verwaltung ausgeschlossen wird und auch nicht im einem weiteren Bebauungsplan Berücksichtigung findet. Somit wird sich die Planung weiter verzögern, falls eine Tunnellösung nicht realisierbar ist, wovon der NABU ausgeht.

Oberirdische Führung

Die von Straßen NRW oberirdisch verlaufende Radwegführung als vorgeschlagene Alternative und alle weiteren, die sich potenziell auch auf der Westseite des Tunnels möglicherweise realisieren ließen, werden aktuell von den Stadtplanern nicht geprüft und komplett ignoriert.

Auf der Homepage der SPD „Rettet den Radweg“ wird der Anstieg von 14% in Kombination mit einer 1 km langen Umfahrung des Tunnels als nicht vertretbar und somit eine Tunnelnutzung als unabweisbar dargestellt. Diese Steigung wird hier aus Sicht der Naturschutzverbände völlig übertrieben als Argument für die Tunnelnutzung missbraucht.

Störung durch Tunnel-in-Tunnel-Lösung

Anstehende Untersuchungen und nachfolgende Baumaßnahmen umfassen ggf. Bohrungen im Tunnel und die Errichtung einer Konstruktion zur Realisierung einer Tunnel-in-Tunnel-Lösung. Aus Sicht des NABU kann dadurch schon ein Verbotstatbestand nach §44 BNatSchG Abs.1 erfüllt sein. Dieser Paragraph untersagt, streng geschützte Arten erheblich zu stören. Sobald man die Tunnelröhre betritt, Bohrungen durchführt, oder eine Tunnel-in-Tunnel-Konstruktion errichtet, die auch die Durchfahrt eines Rettungswagens erlaubt, ist dieser Verbotstatbestand bereits erfüllt.

Tunnellösung aus Naturschutzrecht nicht möglich

 

Aufgrund der wissenschaftlichen Erhebungen zum Artenbestand im Tunnel und den eindeutigen artenschutzrechtlichen Bestimmungen ist eine Vereinbarkeit zwischen den gesetzlich verbrieften Schutz- und Lebensrechten der streng geschützten Fledermausarten und der Anlage eines Rad-/Gehweges im Silscheder Tunnel nicht gegeben.

Der NABU zweifelt die Aussagen der vermeintlichen lokalen Experten an, die in der Ratssitzung am 31.08.2023 gehört wurden. Deren angebliches Fachwissen beruht weder auf einer biologisch-wissenschaftlichen Ausbildung noch auf einer anerkannten Expertise bezüglich der Tunnelfauna und -flora. Gerade bezüglich des einzigartigen „Hangschluchtwaldes“ wurde argumentiert, dass dieser artenarm sei, weil zu wenig Sonnenlicht dort hineinscheint und die Büsche und Bäume deshalb entfernt werden müssten. Solch eine Aussage kann man nur treffen, wenn man die biologischen und ökologischen Zusammenhänge nicht kennt.

Hierzu wird auch auf die Erläuterungen zum Gesetzlich Geschützten Landschaftsbestandteil Nr. 3.4.1 im Landschaftsplan Ennepetal, Gevelsberg, Schwelm verwiesen.

Kostengünstigere, naturverträgliche und zumutbare Lösung

Die Einhausung des Radweges im „Hangschluchtwald“ an der Nordseite des Tunnels ist mit Kosten von ca. 200.000 € pro 100 m von Straßen NRW im Jahre 2017 veranschlagt worden. Legt man diese Kosten ebenfalls für die Konstruktion innerhalb des Tunnels zugrunde, käme man bei einer Tunnellänge von 900 m und 400 m im „Hangschluchtwald“ auf ca. 2,6 Mio. € ohne Kostensteigerungen seit 2017. Mit Kostensteigerung wäre eine Verdoppelung der Kosten auf über 5,2 Mio. € realistisch. Es fehlen noch Kosten für die bauliche Überprüfung des Tunnelbauwerks, die Beleuchtung und sonstige Kosten für die Aufwertung als Radweg. Dagegen werden die Kosten für eine alternative Umfahrung auf vorhandenen Verkehrswegen von den Naturschutzverbänden als deutlich geringer eingeschätzt.

Bauleitplanung

Das anstehende Verfahren einer Bauleitplanung ist in mehrere Schritte unterteilt. Zurzeit ist zunächst der Aufstellungsbeschluss zum Bebauungsplan Nr. 81 Silscheder Tunnel erfolgt.

Erst im nächsten Schritt erfolgt eine frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit sowie der Behörden und Träger öffentlicher Belange. Dann sind die Planungsunterlagen - inklusive Gutachten - öffentlich zugänglich, und die Naturschutzverbände können auf die Belange des Artenschutzes im Hinblick auf das Bundesnaturschutzgesetz aufmerksam machen. Wann konkret die Planungsunterlagen für die Öffentlichkeitsbeteiligung bereitgestellt werden, liegt bei dem Träger dieser kommunalen Bauleitplanung, also bei der Stadt Gevelsberg.

Naturschutzverbände appellieren an eine gemeinsame, naturverträgliche Lösung

Der NABU spricht sich gegen eine Nutzung des Silscheder Tunnels als Radweg aus, um dieses überregional bedeutende Fledermaus-Habitat und den ökologisch wertvollen „Hangschluchtwald“ auf der Nordseite im Sinne des Arten- und Naturschutzes zu erhalten. Des Weiteren empfiehlt der Naturschutzverband eine Umfahrung dieses einzigartigen Ökosystems und die Planung und Realisierung eines individuellen Lehr-, Lern- oder Erlebnispfades im „Ruhr zur Ruhr“ Radweg für Radfahrer und Interessierte.

Gemeinsam könnten wir hervorragende Möglichkeiten sowohl zum Artenschutz als auch für Menschen aller Altersstufen schaffen, um die Lebenswelt der Fledermäuse kennenzulernen und damit auch anzuregen, die eigene Umwelt noch besser wahrzunehmen und zu schützen. Davon wird am Ende auch der gesamte Kreis profitieren und unsere Region überregional attraktiver gemacht.

Bürgerinnen und Bürger, die sich über das Thema austauschen möchten, sind jeden Mittwochabend um 18:30 Uhr herzlich eingeladen, in der NABU - Geschäftsstelle, Neustr. 53 in Ennepetal, mit uns ins Gespräch zu kommen.

Dr. Pit Städtler
1. Vorsitzender NABU EN